Das Halsband der Taube

Aus: E.W. Heine, das Halsband der Taube.

Alle Mißverständnisse entspringen der Sprache. Ohne sie gäbe es keine Lüge, keine Beleidigung. Jesus hat gepredigt: Eure Rede sei Ja oder Nein. Alles, was darüber ist, ist von übel. Ist nicht selbst Allah stumm? Er erhört uns, vielleicht, aber er spricht nicht zu uns, jedenfalls nicht mit irgendeiner Stimme.
(…)
Die Sprache ist das Gewand der Gedanken. Wissen wird mit Worten weitergegeben. Gefühle aber bedürfen feinerer Mittel: ein Blick, eine Berührung, ein Kuß. Eine geistreiche Gattin ist eine gute Gefährtin, aber eine lausige Geliebte im Bett. Eros und Intellekt schließen einander aus, wie Schönheit und Geschwätzigkeit. Niemand könnte ein keifendes Kunstwerk – und sei es auch noch so vollkommen – ertragen. Ich kenne nichts Edleres als einen Löwen oder einen Falken. Aber stell dir vor, sie würden dir mit Geschwätzigkeit in den Ohren liegen.

—–

Nun gut, so kann man es auch sehen. Muß man aber nicht.

2006_07_17_pia_183