But it only sounds romantic – wildly inaccurate and dummed down beyond recognition, but …
Well, news are facing new ways…
Thomas Bernhard 14
Muss mal wieder sein:
Von Spadolini war ich dann merkwürdigerweise auf Goethe gekommen: auf den Großbürger Goethe, den sich die Deutschen zum Dichterfürsten zugeschnitten und zugeschneidert haben, habe ich das letzte mal zu Gambetti gesagt, den Insekten- und Aphorismensammler mit seinem philosophischen Vogerlsalat, so ich zu Gambetti, der natürlich das Wort Vogerlsalat nicht verstand, so hatte ich es ihm erklärt.
Auf Goethe, den philosophischen Kleinbürger, auf Goethe, den Lebensopportunisten, von welchem Maria immer gesagt hat, dass er die Welt nicht auf den Kopf gestellt, sondern den Kopf in den deutschen Schrebergarten gesteckt hat. Auf Goethe, den Gesteinsnummerierer, den Sterndeuter, den philosophischen Daumenlutscher der Deutschen, der ihre Seelenmarmelade abgefüllt hat in ihre Haushaltsgläser für alle Fälle und alle Zwecke. Auf Goethe, der den Deutschen die Binsenwahrheiten gebündelt und als allerhöchstes Gut durch Cotta hat verkaufen und durch die Oberlehrer in die Ohren hat schmieren lassen, bis zur endgültigen Verstopfung. Auf Goethe, der den deutschen Geist mehr oder weniger für Jahrhunderte verraten und auf das Mittelmaß der Deutschen gestutzt hat mit jener Emsigkeit, die ich Gambetti gegenüber als die goethische Emsigkeit bezeichnet habe. Auf Goethe, den philosophischen Rattenfanger, wie ich zu Gambetti das letzte Mal gesagt habe.
Goethe sei der Gebrauchsdeutsche, habe ich zu Gambetti gesagt, sie, die Deutschen, nehmen Goethe ein wie eine Medizin und Glauben an ihre Wirkung, an ihre Heilkraft; Goethe ist im Grunde nichts anderes, als der Heilpraktiker der der Deutschen, hatte ich zu Gambetti gesagt, der erste deutsche Geisteshomöopath. Sie nehmen sozusagen Goethe ein und sind gesund. Das ganze deutsche Volk nimmt Goethe ein und fühlt sich gesund. Aber Goethe, habe ich zu Gambetti gesagt, ist ein Scharlatan, wie die Heilpraktiker Scharlatane sind und die Goethesche Dichtung und Philosophie ist die größte Scharlatanerie der Deutschen.
Seinen sie vorsichtig, Gambetti habe ich zu diesem gesagt, seien sie vor Goethe auf der Hut. Allen verdirbt er den Magen, nur den Deutschen nicht, sie glauben an Goethe wie an ein Weltwunder. Dabei ist diese Weltwunder nur ein philiströser Schrebergärtner. Gambetti hatte laut aufgelacht, als ich ihm erklärte, was ein Schrebergarten ist. Das hatte er nicht gewusst. Insgesamt, habe ich zu Gambetti gesagt ist das Goethesche Werk ein philiströser philosophischer Schrebergarten.
In nichts hat Goethe das Höchste geleistet, sagte ich, in allem nur das Mittelmaß zustande gebracht, er ist nicht der größte Lyriker, er ist nicht der größte Prosaschreiber, habe ich zu Gambetti gesagt, und seine Theaterstücke sind gegen die Stücke Shakespeares beispielsweise so gegeneinander zu stellen, wie ein hochgewachsener Schweizer Sennenhund gegen eine verkümmerten Frankfurter Vorstadtdackel. Faust, habe ich zu Gambetti gesagt, was für ein Größenwahnsinn! Der total missglückte Versuch eines schreibenden größenwahnsinnigen, hatte ich zu Gambetti gesagt, dem die ganze Welt in den Frankfurter Kopf gestiegen ist, Goethe, der größenwahnsinnige Frankfurter und Weimarianer, der größenwahnsinnige Großbürger auf dem Frauenplan. Goethe, der Kopfverdreher der Deutschen, der sie jetzt schon einhundertfünfzig Jahre auf dem Gewissen hat und zum Narren hält. Goethe ist der Totengräber des Deutschen Geistes, habe ich zu Gambetti gesagt. Wenn wir ihn Voltaire, Descartes, Pascal, entgegensetzen zum Beispiel, habe ich zu Gambetti gesagt, Kant, aber natürlich auch Shakespeare, ist Goethe erschreckend klein. Dichterfürst, was für ein lächerlicher, dazu aber grunddeutscher Begriff, hatte ich zu Gambetti gesagt. Hölderlin ist der große Lyriker, hatte ich zu Gambetti gesagt, Musil ist der große Prosaschreiber und Kleist ist der große Dramatiker. Goethe ist es dreimal nicht.
Thomas Bernhard: Auslöschung. Ein Zerfall.
Fetisch-Möbel oder: Der Teufel kommt aus Schweden
Man sollte gar nicht glauben, wie perfide die S/M-Fetischisten sind. Die kommen nicht nur auf die Idee, einen japanischen Scherz zu nehmen und daran Westeuropäer krepieren zu lassen. Auch das tägliche Leben haben die Gummiunterhosenträger fest im Griff. Zum Beispiel: die Handelskette IKEA vertickt öffentlich Folterwerkzeug.
Als Beispiel das abgebildete Bett, Meldal. Speziell entworfen, damit das aufs-Bett-setzen die letzte bequeme Handlung ist. Den Rest der Nacht verbringt man damit, in den kalten Gestell verfangene Gliedmaßen VORSICHTIG zu befreien. Jede Bewegung wird schnell in blaue Flecken und verrenkte Gelenke übersetzt.
Offensichtlich hat die Person, die das Bett entworfen hat, noch nie in einem Bett geschlafen. Und wer schläft bekanntlich nicht? Genau, Old Nick, der Teufel. Denn nur der kommt auf die Idee, an dem Ende, wo man den Fuß ausstrecken würde, ein gebogenes Abschlussstück anzusetzen. Man legt den Fuß ab, dieser rutscht langsam, nahezu unbemerkt in die Klemme. Wenn der unruhige Schläfer dies bemerkt und erschrickt, versucht er natürlich sofort, die Gliedmaße zu retten.
Also den eingeklemmten Fuß – und den mittlerweile ebenso verdrehten und in der Bredouille steckenden Arm, den man vertrauensselig durch die Stäbe gesteckt hat. Im Endeffekt wacht man dann mit einem Schmerzensschrei auf und liegt bis zu Morgen wie ein wimmerndes Häufchen Elend in Fötal.Stellung in der exakten Mitte der Matratze. Und hofft auf einen baldigen Sonnenaufgang, und das die Welt noch nicht untergegangen ist.